Abstract


Forschungsprojekt: Scheinehen in der NS-Zeit


Durch Eheschließungen mit Ausländern konnten sich verfolgte Frauen während der Zeit des Nationalsozialismus in Exilländer retten oder waren durch die fremde Staatsangehörigkeit geschützt. Die Frauen erhielten durch die Eheschließung automatisch die Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes. Manche Ehen wurden nur pro-forma und aus Solidarität und/oder gegen Bezahlung geschlossen und als Scheinehen bezeichnet.

Das Phänomen Scheinehe als spezifisch weibliche Flucht- und Überlebensstrategie wurde noch nicht wissenschaftlich untersucht. Die Quellenlage ist eine Herausforderung, denn viele ScheinehepartnerInnen schwiegen aus Scham oder Angst und erwähnten ihre Scheinehe selbst in Autobiographien oder anderen Schriftstücken nicht. In Interviews mit ZeitzeugInnen wurden Scheinehen häufig nicht als solche codiert und sind daher in Datenbanken schwer zu finden. Dennoch sind mir durch die Recherche der letzten Jahre über 80 Fälle von Scheinehen bekannt. Allein im Forschungszeitraum 2014 erfuhr ich über Hinweise bei Konferenzbesuchen und Rückmeldungen zu Artikeln von fast 30 Scheinehen.

Das Thema wurde im Projektzeitraum einer wissenschaftlichen Community bekannt gemacht: Es wurden im Jahr 2014 neun Vorträge gehalten, davon vier auf internationalen Konferenzen, aber beispielsweise auch im Maimonides Zentrum. Es wurden vier Artikel verfasst, welche wiederum zu neuen Hinweisen und Familiengeschichten führten, denn obwohl es kaum noch ZeitzeugInnen gibt, können in manchen Fällen die (Enkel-)Kinder über die Scheinehe erzählen. Diese häufig anekdotenhaften Geschichten können durch Archivmaterialien überprüft und teilweise durch Ego-Dokumente aus Nachlässen (Tagebücher, Briefe usw.) ergänzt werden.

Um einen Überblick über das Heiratsverhalten der 1938 in Wien lebenden Jüdinnen zu bekommen, wurden zudem die Trauungsbücher der IKG Wien quantitativ ausgewertet – mit überraschenden Ergebnissen: Die Zahl der Eheschließungen nahm ab März 1938 deutlich zu, der Anteil der Ehen mit Ausländern stieg jedoch nicht generell signifikant an, sondern nur innerhalb bestimmter Zeiträume für bestimmte Herkunftsstaaten der ausländischen Ehemänner. Das inzwischen durch den Edith Saurer Preis ausgezeichnete Projekt wird 2015 durch eine Förderung des Nationalfonds der Republik Österreich weitergeführt: Nun wird mittels Biographieforschung den rund 80 bekannt gewordenen Fällen - sowie weiteren noch zu entdeckenden - Scheinehen nachgegangen.

Das Projekt will diese mutigen Frauen als aktive Akteurinnen mit ihren sozialen und politischen Netzwerken sichtbar machen, aber auch jener gedenken, bei denen das Vorhaben scheiterte und die dennoch Opfer des nationalsozialistischen Regimes wurden.

Mehr über das Projekt erfahren Sie auf der Website: www.scheinehe-exil.at.

Dr. Messinger

Projekt-ID
ProjektleiterIn
Messinger Irene Dr.in
Projekttitel
Schutzehen in der NS-Zeit (Forschung und Website mit Datenbank)

Fictitious Marriages during the NS Era (research and website with database)
Download