Abstract


„nicht verstummt“ Gehörlose Menschen im Nationalsozialismus


Gehörlose Menschen stellen weltweit eine sprachliche Minderheit dar, die sich dagegen wehrt, nur als “behindert” betrachtet zu werden und sich vorrangig über die zahlreichen Gebärdensprachen der Welt definiert. In Österreich ist die Sprachminderheit seit dem 1. September 2005 verfassungsmäßig anerkannt, die Gebärdensprachgemeinschaft blüht. Wir wissen jedoch, dass sie zu den durch nationalsozialistische Gesetze verfolgten Minderheiten gehört.


2008/09 wurden innert 12 Monaten im Rahmen eines Forschungsprojektes von Verena Krausneker und Katharina Schalber umfassende Archivrecherchen im In- und Ausland getätigt, sowie 24 Interviews mit gehörlosen ZeitzeugInnen bzw. Nachkommen in Österreich und in den USA geführt und auf Videofilm dokumentiert. Die Ergebnisse und Erkenntnisse zu Veränderungen der österreichischen Gehörlosengemeinschaft in der NS-Zeit flossen allesamt in eine in 8 Kapitel gegliederte DVD „Gehörlose ÖsterreicherInnen im Nationalsozialismus“ ein. (Das Medium Videofilm mag akademisch ungewöhnlich sein, ist jedoch angesichts der bearbeiteten Gemeinschaft, die eine visuell-gestische Sprache verwendet, wohl das einzig angemessene.) Die erste Auflage (500 Stück) der deutsch untertitelten DVD war innerhalb weniger Wochen vergriffen. Durch den Zukunftsfonds wurde daraufhin eine zweite Auflage, die zusätzlich auch englische Untertitel beinhaltete, ermöglicht. Diese wurde weltweit rezipiert und war nach nur 9 Monaten ebenfalls vergriffen. In einer Kooperation mit italienischen Gehörlosenschulen wurde eine dritte, italienisch-untertitelte Auflage (1000 Stück) produziert. Inzwischen wurden die 8 Filme frei zugänglich online zur Verfügung gestellt: www.univie.ac.at/gehoerlos-im-ns


Ziel des fortsetzenden Vorhabens war es, die im Forschungsprojekt gewonnenen, neuen historischen Fakten über die österreichische Gehörlosengemeinschaft in der NS-Zeit in einem 45-minütigen Dokumentarfilm für Mehrheitsangehörige zugänglich zu machen, die gebärdeten Geschichten zu vertonen und sehr sensibel mit Filmmusik (Komposition: Konrad Rennert) zu unterstützen.


In „nicht verstummt“ (45 Minuten) erzählen erstmals gehörlose ZeitzeugInnen in Österreichischer und Amerikanischer Gebärdensprache ihre Geschichten, während ihnen drei ausgezeichnete SprecherInnen (Klaus Höring, Angelika Lang, Angelica Schütz) ihre Stimmen leihen. Sie gebärden darüber, was die NS-Herrschaft in ihrer Gemeinschaft anrichtete, erzählen von Bedrohung, Verfolgung und Überleben. Mit ihrer eleganten visuellen Sprache kreieren sie ein neues Bild der Geschichte - und ihrer selbst - und zeigen, dass sie nicht zum Verstummen gebracht wurden.

Dr. Verena Krausneker, Mag. Katharina Schalber

Projekt-ID
ProjektleiterIn
Krausneker, Dr. Verena - Inst. f. Sprachwissenschaft, Universität Wien
Projekttitel
nicht verstummt. (Dokumentarfilm. Neuschnitt des Materials aus dem Projekt 'Gehörlose ÖsterreicherInnen im Nationalsozialismus' )

New cut of the documentary 'Deaf Austrians under Nazism'
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