Die bewegte Lebensgeschichte von Hans Menasse – geboren am 5. März 1930 als drittes Kind einer mährischstämmigen, katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters in Wien – steht im Zentrum des Vortrags und des gleichnamigen Forschungsprojekts.
Im Alter von acht Jahren musste Hans Menasse gemeinsam mit seinem um sieben Jahre älteren Bruder Kurt unter dramatischen Umständen mit einem „Kindertransport“ vor der Nazi-Verfolgung nach Großbritannien flüchten. Er wuchs dort bei einer Pflegefamilie auf und fand durch den Sport, insbesondere Fußball, einen Weg zur gesellschaftlichen Integration und Anerkennung. Nach Kriegsende kehrte er 1947 zu seinen Eltern nach Wien zurück. Er hatte seine Muttersprache verlernt und musste sich in seiner zerstörten Geburtsstadt wieder zurechtfinden. Erneut gelang ihm über den Sport die Integration nun in die österreichische Nachkriegsgesellschaft. Beim First Vienna Football Club 1894 stieg er zum gefeierten Fußballstar auf, 15 Jahre nach seiner Vertreibung wurde er in das Nationalteam einberufen.
Das vorgestellte Projekt widmet sich der lebensgeschichtlichen Erforschung eines ungewöhnlich facettenreichen Zeitzeugen und setzt mehrere Schwerpunkte: Zunächst werden die Kindheit in Wien, die Flucht vor dem NS-Regime sowie die prägenden Jugendjahre in Großbritannien, wo der Fußballsport eine zentrale Rolle spielte, untersucht. Der zweite Themenbereich behandelt Menasses Rückkehr und Neubeginn in Österreich, die erfolgreiche Fortsetzung seiner sportlichen Ambitionen sowie den Aufbau einer beruflichen Existenz nach der Fußballkarriere. Schließlich steht neben der Familiengründung – Menasse ist dreifacher Vater, zwei seiner Kinder, Eva und Robert, sind als Autorin bzw. Autor bekannt – die berufliche Tätigkeit als Pressesprecher eines US-amerikanischen Filmverleihs und die Zusammenarbeit mit vielen Hollywood-Größen im Fokus. Die Klammer zu seiner Flucht vor dem NS-Regime schließt sich für Hans Menasse als er im Jahr 1994 die Europapremiere von Steven Spielbergs preisgekröntem Film „Schindlers Liste“ organisierte.
Ziel des Projekts ist die Erstellung einer Biografie von Hans Menasse unter Heranziehung von Ansätzen aus der Familien-, Exil- und Sportgeschichte, eingebettet in den jeweiligen zeithistorischen Kontext und unter Einbeziehung von Interviews mit der zu beforschenden Person. Die Verschränkung biografischen Arbeitens, insbesondere mittels der Methode der Oral History, mit Themen aus der Holocaustforschung, speziell dem Bereich des Refugee Children Movement („Kindertransporte“), sowie dem populären Thema Fußballsport (als bedeutendem Teil der Wiener Alltagskultur) gewährleistet dem Projekt einen niederschwelligen Zugang zu der Komplexität einer jüdischen Lebensgeschichte. Hans Menasse setzte sich Zeit seines Lebens mit der eigenen Fluchtgeschichte auseinander und kommunizierte diese auch öffentlich. Zuletzt wirkte an der ORF III-Produktion „Züge ins Leben“ (2016) mit, im März 2018 sprach er im Rahmen der Eröffnung der gleichnamigen Ausstellung im Österreichischen Kulturforum Berlin vor zahlreichen SchülerInnen.