Abstract


Die slowenische Volksgruppe in Kärnten unter dem Nationalsozialismus und neuere Gedenkinitiativen


Die slowenische Volksgruppe in Kärnten war unter den Nazis massiven, von langer Hand geplanten genozidären Verfolgungen ausgesetzt. Die Deportationen von 200 aus dem gesamten Sprachraum strategisch ausgewählten führenden slowenischen Familien zielten auf eine massive nachhaltige kollektive Traumatisierung (Ethnozid). Diese Deportationen waren der Auslöser für den militärischen Widerstand, der als wesentlicher Beitrag Österreichs zu dessen Befreiung gewertet wurden und der zu dessen Wiedererrichtung nach 1945 in den Grenzen von 1938 beitrug. Vor allem die Art des Verhältnisses zur Minderheit nach 1945 wirkte transgenerationell traumatisierend. Die Tätigkeit des Zukunftsfonds, des Nationalfonds und anderer staatlicher Einrichtungen im Geiste der zukunftsweisenden Verfassungszielbestimmung aus Art. 8/2 BVG sowie die Förderung zahlreicher Projekte sind ein wichtiger Beitrag zum interkulturellen Dialog, zur Schaffung einer positiven gesellschaftlichen Dynamik und damit zur Zukunftsfähigkeit des Landes insgesamt.

Ein lange Zeit als schwierig eingestuftes Thema öffnet sich zunehmend einem positiven Diskurs. Zahlreiche Initiativen auf Bundes- und auf Landesebene wie auch von NGOs, vielfach in Zusammenarbeit mit den Vertretern der österreichischen Volksgruppen, haben zu positiven Veränderungen geführt. Die höchst beachtliche Tätigkeit des Zukunftsfonds ist Ausdruck davon, dass diese Veränderungen verstärkt einen institutionellen Rückhalt bekommen, der für die Nachhaltigkeit der Bemühungen von großer Bedeutung ist. Gerade die Verfassungszielbestimmung aus Art. 8/2 BVG aus dem Jahr 2005, die dem Bund, den Ländern und den Gemeinden den Erhalt und die Förderung der österreichischen Volksgruppen aufträgt, ist dahingehend zukunftweisend.

Die Lage der slowenischen Volksgruppe in Kärnten unter dem Nationalsozialismus ist im internationalen Kontext zu sehen und Ausdruck der tragischen zivilisatorischen Verirrungen im Europa der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit dem Friedensvertrag von Saint-Germain 1919 wurden etwa die Slowenen vom konstitutiven Volk zur „Minderheit“, wobei generell „Minderheiten“ in jener Zeit in Europa nur die Rolle von Spielbällen internationaler Interessen zugewiesen wurde.

Wie auch anderswo in Europa und in Österreich erwies sich aus der historisch-analytischen Perspektive der Umgang mit Minderheiten jedoch gleichzeitig als Kristallisationspunkt für die demokratische Entwicklung des Landes in seiner Gesamtheit und der Achtung der fundamentalen demokratischen Verhältnisse im Interesse der Mehrheitsbevölkerung selbst. Kärnten wurde immer stärker von illegalen Nazis unterwandert und setzte umgehend als erstes formell den sog. „Anschluss“ im März 1938 um und besiegelte den Untergang der Republik Österreich. Gleichzeitig wurden bereits vom KHB Listen von „führenden nationalen Slowenen“ erstellt und so der Grundstein für die nachhaltige kollektive Traumatisierung durch Terror gelegt. Diese Verfolgungen sind auch in einem weiteren Kontext der zivilisationsverachtenden nationalsozialistischen Maschinerie zu sehen, zumal Millionen Menschen in Europa der Vernichtung und Verfolgung Preis gegeben wurden. Mit dem Überfall auf Jugoslawien fielen auch alle militärstrategischen Beschränkungen der Verfolgung der Slowenen in Kärnten. Sämtliche slowenische Vereine wurden verboten wie die Sprache selbst. Es wurden über 80.000 slowenische Bücher der zahlreichen Vereinsbibliotheken verbrannt oder anders vernichtet. Sonstiges Vermögen wurde geraubt. Am 14. und 15 April 1942 wurden über 200 führende slowenische Familien in einer von langer Hand geplanten Aktion als „volks- und staatsfeindlich“ erklärt und zunächst ins Zwischenlager Ebenthal bei Klagenfurt und danach nach Deutschland deportiert und zur Zwangsarbeit eingesetzt. Andere wurden in KZs verschleppt. Viele überlebten dies nicht.

Der eigentliche militärische Widerstand der Kärntner Slowenen begann erst, als sich die Kunde der Deportationen verbreitete und nunmehr auch materiell klar war, dass ein jeden Einzelnen betreffender Genozid geplant und umgesetzt wurde. Mit der Zeit erfasste der Widerstand das gesamte Gebiet Südkärntens und drang auf der Saualpe am weitesten in das deutsche Reichsgebiet vor. Und das wurde in der Folge vielfach als Beweis für den aktiven Beitrag Österreichs an dessen Befreiung herangezogen, was als Voraussetzung für die Wiedererrichtung der Republik in den Grenzen von 1938 galt (Moskauer Deklaration von 1943). Dieser Widerstand war mit einem hohen Blutzoll verbunden.

Neueste Untersuchungen zeigen zudem auf, dass vielfach insbesondere der Umgang mit den unmittelbaren Opfern und den nachfolgenden Generationen NACH Ende des Krieges tiefgreifende traumatische Folgen hatte und eine individuelle und kollektive Bewältigung der Traumata unmöglich machte und sie transgenerationell perpetuierte. Deshalb sind die gemeinsame Erinnerungs- und Gedenkarbeit von so großer Bedeutung und ein humanistischer Auftrag. Und dem kommen eben auch der Zukunftsfonds, der Nationalfonds und andere Einrichtungen der Republik nach.

Mag. Bojan-Ilija Schnabl MAS

Projekt-ID
ProjektleiterIn
Krautzer Karlej - Slowenischer Kulturverein Roz/Slovensko prosvetno drustvo Roz
Projekttitel
Zacasni spomenik / temporäres Denkmal (Veranstaltung am 8. Mai 2013)

Temporary memorial - a series of commemorative events and documentary activities on the forced deportation of Slovene families from Southern Carinthia by the Nazis in 1942
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