Abstract


Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer


Die Gruppe 40 am Wiener Zentralfriedhof - Beerdigungsort der im Wr. Landesgericht hingerichteten WiderstandskämpferInnen. Zum Umgang mit deren Leichen

So geheim das Datum ihrer Hinrichtung war, so geheim war auch, dass ihre Leichen nach der Hinrichtung von dem kurz davor in Kenntnis gesetzten Anatomischen Institut der Universität Wien aus dem LG I abgeholt wurden.

Die Übergabe der Leichen an ein Anatomisches Institut wurde durch eine Verordnung aus dem Jahr 1939 geregelt. Der zufolge war das der Hinrichtungsstätte nächstgelegene Universitätsinstitut mit den Leichen „zu berücksichtigen“, wie es im Hinrichtungsauftrag des Reichsjustizministeriums hieß.

Aus vorhandenen Listen geht hervor, welcher Anatom den Kopf und welcher den Rumpf bekam. Wie Erinnerungen belegen, wurden Leichen oft schon bei ihrer temporären Einsargung nach der Hinrichtung falsch gekennzeichnet und so setzte sich diese Anonymisierung der Hingerichteten im Zuge ihrer „Verwertung“ fort.

Einen guten Eindruck vermitteln da die Tagebuchaufzeichnungen von Frau Anna Hanika, einer Bekannten der Familie Kastelic, die sich mit Angehörigen und Bekannten von anderen Hingerichteten aus dem katholischen Lager im Juli 1945 auf die Suche nach der Leiche von Jakob Kastelic machte. Nicht nur das Wiedererkennen der Köpfe war schwierig, auch die Nummerierungen waren fehlerhaft, Kastelic´ Körper wurde erst ob seiner Kriegsverletzungen aus dem 1. Weltkrieg erkannt. Signifikante Merkmale waren es auch, die die Auffindung der anderen Köper möglich machte.

Wurde seitens des Anatomischen Instituts die Leichen(teile) nicht mehr benötigt, wurde der Verwaltung des Zentralfriedhofs deren Anlieferung angekündigt. Pro forma wurde den Särgen Namen von Hingerichteten zugeordnet und die Friedhofsverwaltung wies ihnen eine Reihen- und Grabnummer zu.

Die Anlieferung erfolgte in den Nachtstunden und wurde unter der Auflage strengster Geheimhaltung durchgeführt. Die immer wieder anzutreffende Behauptung, dies sei mit entsprechenden Waggons der Straßenbahn erfolgt, ist falsch – wenngleich es spezielle Waggons für den Transport von Leichen aus Wiener Krankenhäusern tatsächlich gegeben hat. Doch so geheim das erfolgte, so gelang es doch einigen Hinterbliebenen, nicht nur in Erfahrung zu bringen, dass die Leichen ihrer Verwandten ins Anatomische Institut kamen, sondern dass sie auch in der Gruppe 40 beerdigt wurde. Mir wurden im Zuge meiner zahlreichen Gespräche mit Angehörigen drei Fälle bekannt, wo die Angehörigen noch vor der Befreiung Wiens nicht nur die Gruppe 40 als Beerdigungsort in Erfahrung bringen konnten, sondern denen es auch gelang, die Grabstelle ausfindig zu machen, und – das ist wohl das Erstaunlichste, eingedenk des akribischen Bemühens der Behörde nach Geheimhaltung – bereits zu diesem Zeitpunkt einen kleinen Grabstein aufgestellt haben. So erzählte die Tochter des hingerichteten Franz Plotnarek, dass sie mehrmals, gemeinsam mit ihrer Mutter, zum Zentralfriedhof fuhr um das Grab zu besuchen; und dabei auch einen der zahlreichen Bombenangriffe miterlebte, sodass sie aus der Straßenbahn ausstiegen und einen Luftschutzraum aufsuchten. Doch es gibt auch Fälle, wo Verwandte von hingerichteten Steirern erst Jahrzehnte später davon Kenntnis erhielten, dass ihre hingerichteten Verwandten in der Gruppe 40 beerdigt wurden.

Bis Ende der 1950er Jahre wurden noch – ohne die Angehörigen davon zu informieren – Leichen von WiderstandskämpferInnen vom Anatomischen Institut auf den Zentralfriedhof gebracht und in der Gruppe 40 beerdigt.

Dr. Wilhelm Weinert

Projekt-ID
ProjektleiterIn
Rizy Lisl Dr. - Wr. Stern-Verlag
Projekttitel
Willi Weinert: Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer. Biografien der im Wiener Landesgericht hingerichteten WiderstandskämpferInnen (Publikation, 3. bearbeitete u. erweiterte Auflage)

Willi Weinert: Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer. (Publication, guidebook to 570 graves of executed resistance fighters and political opponents of Nazism at Vienna's Central Cemetery )
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